2000

1.4. - 30.4.2000

Tag für Tag für Tag (Here right now!)

Norbert Diderich

Work in Progress

Mit der Jahrtausendwende wurde eine neue Reihe im Atelier eröffnet: „Here right now!“ Das Konzept war daran orientiert, Künstler über einen längeren Zeitraum im Ladenlokal bei der Arbeit zu präsentieren. „Offenes Atelier“, offen für Blicke, offen für Ideen, offen für Werkprozesse. Norbert Diderich verwirklichte seine Ideen rund um Kölner Tageszeitungen. Davon gab es in dieser Zeit jede Menge, da in Köln ein regelrechter Zeitungskrieg tobte, und die Leser mit Gratisausgaben überschüttet wurden. Diderich saß Tag für Tag hinter dem Schaufenster mit wahren Massen von Zeitungen, las und verarbeitete sie künstlerisch. Er verpackte vieles, knüllte die einzelnen Seiten zusammen und versank allmählich in einem Zeitungsberg. Er baute sich darin Höhlen und verkleidete seine Alltagsgegenstände in Papier. Pünktlich zu Ostern gab es Eiersuche, Gedichte und eine Performance. Am 30. April endete alles in einem spielerischen Fest.

1.8. - 31.8.2000

Mischen impossible (Here right now!)

Julia Münz

Work in Progress

Im Rahmen von „Here right now!“ arbeitete im August die Künstlerin Julia Münz im Schaufensterraum des Ateliers. Jeder konnte ihr zusehen oder eintreten, um mit ihr zu sprechen. Julia Münz zeichnete einen mehrere Meter langen Papierstreifen, auf dem sie eine phantastische Geschichte entwickelte und farbig gestaltete. Zu der Story: “...ein Baby schreit – ist es ein Kinderwagen? Nö. Das Baby hält einen ausgeweideten Hasen in der Hand, aus dessen Bauch quillen Wörter, Wörter werden von anatomischer Graphik gefressen, verwandeln sich in Insekten, eines sticht dem Baby in die Plät, das Baby hält einen ausgeweideten Hasen in der Hand...“ Das Ganze passierte in einem fahrbaren, beweglichen Objekt von Julia Münz. Gezeichnet, gemalt, konstruiert für Betrachter, die sich bewegende Bilder auf die Reise schicken, indem sie den Kunstkarren, der den Papierloop in sich birgt, vor sich herschieben. Auf dem Weg nach Wohinauchimmer wird die unendliche Geschichte lesbar. Von einem Elektromotor angetrieben bewegte sich über zwei Walzen ein weiterer Loop im Schaufenster, und an der Wand konnte der Betrachter über eine Kurbel die nächste Geschichte in Bewegung setzen.

nach oben

15.9. - 7.10.2000

Stuck! Stuck! Stuck!

Absolon, Castle, Childish, Everall, Guru, Howard, Marge, Ming, Lewis, Thomson, Williams

Malerei

Elf Maler aus London tingeln mit ihren Bildern durch Europa und versuchen zu beweisen, dass die Saatchi-Shows und der Turner Prize die wahre englische Malerei nicht repräsentieren, sondern... Ja, wer schon? Richtig, die Stuckisten! Wie kam es zu der Bezeichnung? Tracy Emin, neues Sternchen am Saatchi-Himmel, schrie eines Tages ihren Freund Billy Childish an: “Your paintings are stuck, you are stuck!“ Was soviel wie „steckengeblieben“ bedeutet. Ja, und dann verließ die Britart-Ikone den Hinterwäldler. Der tat sich mit Charles Thomson und neun anderen Künstlern zusammen, um weiterhin gefühlvoll und konkret Farbe auf die Leinwand zu bringen. Malerei als Selbstentdeckung. Und was gab es auf den Bildern so alles zu entdecken? Plakative Portraits als Zitate des Rokokomalers Gainsborough (Thomson), naiv bunte Bilder von Haustieren im Garten (Howard), Horror-Comics (Castle) oder beißende Agitprop-Kunst zu sozialen Themen (Absolon) – in jedem Fall schön bunt und schrill.

8.10. - 29.10.2000

Escrava Anastácia (Here right now!)

Lilo C. Karsten

Work in Progress

Nach dem Londoner Intermezzo wurde die Reihe „Here right now!“ mit Lilo C. Karsten fortgesetzt. Sie nutzte das Atelier als offenen Arbeitsplatz und schuf im Laufe des Monats über hundert Zeichnungen zu „Escrava Anastácia“, einer Bantuprinzessin des 19. Jahrhunderts, die als Sklavin aus Afrika nach Brasilien verschleppt wurde. Man verkaufte sie von Bahia nach Rio de Janeiro. Bekannt wurde sie durch ihren Protest gegen die unmenschliche Behandlung der afrikanischen Sklaven. Um sie zum Schweigen zu bringen, wurde ihr eine Mundsperre umgelegt, mit der sie auf den später kursierenden Verehrungsbildern immer zu sehen ist. Lilo Karsten war auf sie während eines Amazonas-Projekts aufmerksam geworden und widmete ihr diesen Arbeitsaufenthalt im Atelier Sömmering. Typisch für ihr Werk sind Kreidezeichnungen auf gedruckten Farbflächen und eine Liebe zu poetischen Assemblagen.

nach oben