1985

17.8.85

An - Aus!

Gräbner, Hoffmann, Rothkamm u.a.

Dresshappening

Im Atelier läuft eine Modenschau! Wohin sind wir geraten? Sechshundert Leute! Jungvolk. Jeder, der die Geschichte live sehen will, legt einen Heiermann auf den Tisch. Der Rest verfolgt in den vorderen Räumen das Geschehen am Bildschirm als Direktübertragung. Jürgen Raap als Moderator des „Dresshappenings“. Die hoffnungsfrohen Jungdesigner samt Models geben sich redlich Mühe, aber die Geschichte verläßt den normalen Rahmen erst, als Rudolf Hoffmann und Frank H.Rothkamm dem Publikum zeigen, wo der Hammer hängt. Nach opulenten materialintensivem Aufbau schlägt Rudi auf einen eher schäbig gekleideten Herrn (in Form einer selbstgebastelten Puppe) wie wild mit einem Riesenvorschlaghammer ein, bis der Knabe niedersinkt. Den selben Hammer schnappt sich Frank, dreht ihn zu seinen selbstkomponierten Computerklängen erwartungsschwanger in der Hand, um in „Psycho“- Manier auf eine Ladung leerer Weinflaschen einzudreschen. Prompt hat es wieder eine Frau erwischt (kam ein Glassplitter geflogen...), kräftiger männlicher Beschützer springt als Rächer herbei und haut dem verdutzten Performer links und rechts eine... Dresshappening.

13.9.85

Tien

Frank H. Rothkamm

Musikperformance

Dunkelheit bis auf zwei Monitore – der eine mit festem Menue auf blauem Grund, der andere mit strengen sich abwechselnden grafischen Mustern: schwarze oder weiße, verschieden geformte Rechtecke im Rhythmus lang anhaltender synthetisierter Basstöne, in die Rothkamm kurz angeschlagene helle Klaviertöne mischt. Dann ein metallischer Schlagrhythmus wie Hammer auf Blech. Licht, Frank, ganz in schwarz, springt auf einen weißgedeckten Tisch und zertrümmert mit einem schweren schwarzen Hammer weiße Steinplatten, wischt die Brocken mit dem Fuß vom Tisch, springt hinterher und schlägt weiter auf sie ein. Stille. Neue Klänge über den Synthesizer. Strudelnde, sich ständig überlagernde Synkopen, die wie Wasser durch den Raum wallen. Rothkamm wandert mit einer schwarzen, einer weißen Sprühflasche durch den Raum, nebelt das Publikum ein... Erneut Dunkelheit, grafische Muster auf den Monitoren, ganz reduzierte monotone Klänge dazu. Er entzündet ein Blatt auf dem Notenständer, begleitet das Feuer mit einer klagenden Violine, entfernt sich spielend in andere Räume, kehrt zurück und beendet alles in harten Dissonanzen.

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20.9.85

Bleib mir treu!

Rudolf Hoffmann

Performance

Wann fangen Schweinefüße an zu stinken? Jedenfalls ist die Entsorgung nach einer Performance der Normalfall. Das sah bei Hoffmanns Installation mit vierzig Schweinefüßen im Bürgerzentrum Ehrenfeld dann schon ganz anders aus. Besonders bei laufender Heizung ist bereits nach einigen Tagen mit Geruchsbelästigung zu rechnen. So gesehen kreist kein Schwein ewig. Jedenfalls installierte der Künstler bei seiner Performance im Atelier eine überschaubare Zahl von besagten Füßen ergänzt durch herzallerliebste Plüschküken, die er auf Leisten nagelte. In einem Gewirr von Kaninchendraht, verspannter roter Plastikschnur, Klopapierbahnen landeten zu den Herzschmerzliedern bester deutscher Schlagertradition noch diverse rohe Eier an der Wand. „Bleib mir treu!“

27.9.85

Verkehr(t)!

Ingo Gräbner

Multimedia-Aktion

Wenn man sich nicht so bewegen kann, wie man möchte... Krücken als Verkehrsmittel. Einkaufswagen als die Leihwagen schlechthin. Dazu noch der vergoldete Kinderwagen als das Ergebnis des Verkehrs. Auf dem Monitor rauschen die Autos dreispurig ins Publikum, Folienbahnen schweben wie Hängematten durch den Raum und reflektieren ein blaues Wasserdia. Ich bewege mich im Einkaufswagen als modernem Einbaum durch das Publikum, benutze die Krücken wie Paddel und strande unter Klavierklängen (Support: Frank H. Rothkamm) bei einer goldenen, weichen, weiblichen Puppe, mit der ich gemeinsam durch die Folienwogen mit dem Rauschen der Autobahn ziehe. In den Spiegeln, die im Raum hängen, vervielfältigen sich die Konsumsprüche, die ich auf die transparenten Folien sprühe. Der Verkehr auf dem Monitor fließt kopfüber in den Raum...Ein Ende ist nicht in Sicht.

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25.10.85

Hei-matt-abend

Gräbner, Hoffmann, Rothkamm

Happening

„Hohe Tannen weisen...“ Deutschland und die Heimat: ein schwieriges Kapitel. Einerseits sehnt sich der Mensch nach Geborgenheit, andererseits kommt in diesen Landen Patriotismus, Heimatverbundenheit nicht so überzeugend rüber - und doch! Mit dem richtigen Druck auf die Tränendrüsen und dem gewissen Appell an die Disziplin... „Männer links, Frauen rechts!“ – Die beiden Herren in Heimatordneruniform verteilen das Publikum auf die beiden Sitzreihen. Heimatlieder aus den Boxen. An der Wand ein gemaltes Alpenpanorama. Zu den Klängen die Putzfrau mit dem Besen durch die Reihen. Die beiden Herren mit den weißen hohen Mützen singen zu ihrer Kochvorführung. Der Heimatquiz mit zentralen Fragen zu Deutschland. Ja, und zu guter Letzt die Kür einer Hei-matt-Königin! Wer jetzt noch nicht in Mark und Bein getroffen ist...

15.11.85

Die Strukturelle Überlegenheit

Harald Fuchs, Frank H. Rothkamm

Ausstellung und Performance

Harald Fuchs kommt wie sein jüngeres Alter ego aus Süddeutschland an den Rhein, um die zentralen Mechanismen des Marktes für die eigene Karriere zu nutzen. Das Atelier als Sprungbrett für Newcomer aus der Provinz. Fuchs hat – im Gegensatz zu vielen anderen – seine Hausaufgaben gemacht und genau verstanden, wie der Hase läuft. Kontakte, Kontakte... Die Struktur des Marktes kennt klare Mechanismen der überlegenheit. Spätestens in den Achtzigern ist die Pseudowissenschaftlichkeit der Kunst als Visitenkarte nicht mehr aufzuhalten. So findet Fuchs den locker-flockigen Mix zwischen Ethnozitat und Kernphysik. Die Authentizität des Ereignisses wird durch Rothkamms originäre Kompositionen garantiert. Wie schön da die Parallelen zwischen dem steinzeitlichen Bogen des schwarzen Eingeborenen und den überlegenen Aufnahmen beschleunigter radioaktiver Teilchen kommen! Doch wahrscheinlich habe ich mal wieder nichts verstanden...

20.12.85

Kein Zurück mehr

Gräbner, Hoffmann, Rothkamm

Theatralische Performance

Im vorderen Raum sammeln sich die Weihnachtsgäste an der Bar. Einlass. Man tritt in den abgedunkelten, mittleren Raum in einen schmalen, schwarzen Gang, aus dem eindeutig kopulatives Gestöhne zu vernehmen ist. Aus einem kleinen, offenen Viereck in der schwarzen Folienwand des Gangs dringt Licht. Der Besucher äugt neugierig hinein, wird geblendet, sieht eine schemenhafte Projektion... In der Halle wird ihm ein Platz auf sehr niedrigen Bänken an zwei normal hohen Tischen zugewiesen. Ihm wird scharfe Tomatensuppe in Kölschgläsern und Bier in Suppentellern serviert. „Oh, Tannenbaum“ leiert aus denBoxen. Mit der Kettensäge entlaubt ein Performer die schmucke Fichte, die anschließend mit einer Bohrmaschine neue idealere äste erhält... Auf einem Monitor können sich die Gäste beim Blick durch das Pornofilmfenster bewundern und dann... ?

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