1999

1.2. – 28.2.99

o.T. (Durchblick)

Marion Menzel

Schaufensterinstallation

Schaufensterinstallationen vorzugsweise mit Ehrenfelder Künstlern. Das Konzept: jeder gestaltet einen Monat lang das Ladenlokal des Ateliers. Schaufenster, Straße, Passanten, Licht, Spiegelungen und die spezifischen Raumdimensionen beeinflussten dabei die künstlerischen Arbeiten entscheidend mit. Für Besucher gerieten diese Installationen natürlich zu Environments. Das zentrale Publikum blieb jedoch das zufällige von der Straße. Auftakt mit der „Lokalmatadorin“ Marion Menzel! Ihre schwarzen Teeobjekte boten sich hierfür geradezu an. Allerdings schuf die Künstlerin diesmal mit langen geschwungenen Wandobjekten einen neuen Blick durch die Scheiben, der den Sichtverhältnissen entsprach und die Höhe des Raumes nutzte und sich an den Wänden wie ein Schriftzug entlangschlängelte. Auf dem Boden wie zufällig verteilt lagen gewellte, eher quadratische Teeobjekte, die an aufgeschlagene Bücher erinnerten. Wer die reizvolle Oberfläche der Skulpturen näher wahrnehmen wollte, konnte sich zu einer Begehung anmelden.

1.3. – 28.3.99

Ein Andermal! (Durchblick)

Ingo Gräbner

Schaufensterinstallation

Im Rahmen der Reihe „Durchblick“ sollte diese Assemblage von Produkten die Nähe der Kunst zum Design und zur Werbung verdeutlichen. Das Schaufenster als das, was es normaler Weise auch ist: ein Hinweis auf die Produktpalette eines Geschäfts. Um diesen Charakter zu verstärken, präsentierte ich keine eigenen Kunstobjekte, sondern Waren aus dem Angebot der ortsansässigen Kaufleute mit Hinweisen auf ihre Verkaufsorte. Zum Beispiel ein Flaschen- und Dosenensemble vom Kiosk auf der Ecke oder ausgewählte Weine vom Laden in der Hansemannstraße. Der Kfz-Sachverständige von Nebenan warb mit einem schweren Motorrad für seine TÜV-Abnahme und der änderungsschneider von Gegenüber zeigte seine Kreation „Deutschlandhose“ passend zur nächsten Fußballweltmeisterschaft. Aus dem indirekten Hinweis auf die Geschäftsinteressen von Sponsoren, in deren Händen die wirtschaftliche Existenz von Kunst inzwischen ruht, wurde hier direkte Werbung.

nach oben

1.4. – 28.4.99

Reisende (Durchblick)

Martina Karbe

Schaufensterinstallation

Als dritten Künstler in der Reihe „Durchblick“ zeigte das Atelier Sömmering die Ehrenfelder Malerin Martina Karbe mit ihrer Werkgruppe „Reisende“. Drei Figuren – mit ihren Hockern verwachsen – reisen mittels eines aus Schläuchen und Draht bestehenden „Internets“. Die Köpfe liegen in der ovalen Aufsicht von Gefäßen oder bilden diese selbst. Die aufliegenden Formen zeigen Träume, Reisen, Vervielfältigungen etc. der Reisenden. Wie zu der Zeit des Barocks ein einfacher Bauer zum Teil des Bildes wurde (Caravaggio), können sie sich selbst zum Star machen oder zu verschiedenen Orten der Welt navigieren. Die Personen sind untereinander verkabelt, sie bilden eine Gruppe, in der jedoch jeder seine eigene Phantasie oder virtuelle Welt als Reiseziel wählt. An den Wänden befinden sich 23 „baruccas“ (schiefe Perlen, denen ursprünglich der Beigeschmack schräger, wirrer Gedanken anhaftete, die später jedoch mit ihrer Grundform den Begriff „Barock“ prägten). Alles ist untereinander mit einem Gewirr von Schläuchen verbunden, die den Fluss der Gedanken, Träume und inneren Bilder verdeutlichen.

1. 5.– 28.5.99

o.T. (Durchblick)

H.D. Moll

Schaufensterinstallation

Im Mai wurde die Reihe „Durchblick“ mit einer Filminstallation von H.D. Moll, ebenfalls Ehrenfelder Künstler, fortgesetzt. Täglich von 11 bis 20 Uhr wurden Super-8-Schleifen gezeigt, einerseits Zeitrafferaufnahmen, andererseits Amateuraufnahmen von Betriebsfesten, Familienfeiern u.ä. Das Schaufenster war zu diesem Zweck mit schwarzer Folie verdeckt, und die Zuschauer konnten durch mehrere Sehöffnungen die Filmaufnahmen verfolgen. Natürlich gab es auf der Folie für die Passanten entsprechende Aufforderungen. Der Peepshow-Charakter sollte die Neugierde der Passanten wecken und für sie zu einem veränderten Wahrnehmungserleben führen. Das Ganze wurde durch eine Super-8-Nacht ergänzt, in der Filme von Daniel Gräbner und ein Programm von H.D. Moll und Tomasz Wozniakowski gezeigt wurden.

nach oben

1.6. – 28.6.99

Tagesnacht (Durchblick)

Roland Bergère

Schaufensterinstallation

Mit dem französischen Künstler Roland Bergère, seit Jahren Wahlkölner und dem Atelier in vielen Projekten treu verbunden, bekam die Reihe „Durchblick“ eine weitere Dimension. Bergère ließ den Raum weitgehend leer. Lediglich ein Papierlampion erleuchtete den insgesamt durch die Holzjalousien stark abgedunkelten Raum. Dazu drang schwach Musik nach außen. Der neugierige Blick von außen suchte innen vergeblich irgendwelche Kunst im Raum. Draußen über der Eingangstür hing eine sogenannte „Kutscherlaterne“, ein Kubus mit quadratischer Grundfläche, dessen farbige scherenschnittartig verzierte Seiten transparent waren. Bergère der im Nebenerwerb als Nachtportier in einem Kölner Hotel arbeitet, kam immer vor seinem Dienstantritt vorbei, schaltete die Außenlampe ein und kam nach Dienstschluss, um sie wieder auszuschalten. Tag für Tag drehte er die Kutscherlaterne um 90 Grad. Einen Monat lang.

1.7. – 28.7.99

Steine (Durchblick)

Ingo Gräbner

Schaufensterinstallation

Nichts außer Alabaster, alles Weiß auf Weiß im Showroom. Die Fortsetzung der Reihe „Durchblick“ mit klassischen Mitteln. Meine Skulpturen entstehen ohne Maschinen, der Stein stammt aus Volterra in der Toskana, er wird geschlagen, geschliffen, poliert. Auch die Formen sind von der mittelitalienischen Landschaft beeinflusst. Wellig, geschwungen, nie symmetrisch, von dem Körper des Rohlings ausgehend. Die Bauern, welche die Lehmhügel der Crete mit ihren Landmaschinen bei jedem Pflügen schleifen, machen etwas ähnliches. Der entscheidende Unterschied ist natürlich die Größe, und außerdem kann ich meine Körper rundherum bearbeiten. Dabei entstehen Skulpturen, die von allen Seiten neue Ansichten ermöglichen, je nachdem, was man als Grundfläche wählt. Bei „Durchblick“ fanden sich kleinere Skulpturen auf den Fensterbänken wieder, für die größeren mußte man schon in den Raum schauen, um die weißen, abstrakten Individuen zu sehen.

nach oben

5.9. - 28.9.99

Haltung ist alles! (Durchblick)

Norbert Diderich

Schaufensterinstallation, Performance

Norbert Diderich arbeitet seit ca. 20 Jahren mit dem Kopierer und Zeitungsausschnitten. Dabei kombiniert er häufig Pressematerial und Wirklichkeitselemente. In den Copyarbeiten finden sich immer wieder seine Hände als Reflex des „Machers“ auf seine eigene Rolle im Konsumrausch. „Haltung ist alles!“ ruft er dem Zeitgenossen zu, wenn dieser sich in der schönen neuen Welt zurechtfinden will. Die Schaufensterinstallation nahm den Projektgedanken wörtlich und rückte dem Betrachter direkt hinter den Fensterscheiben auf die Pelle. Und zwar mit einem Computer, in dem eine Axt steckte. Titel: “Auch ich bin drin“. (Nach der Boris-Becker-Endloswerbung).


1.10. – 28.10.99

Herzsprung (Durchblick)

Lilo C. Karsten

Schaufensterinstallation

Lilo C. Karsten arbeitet seit TATA WEST 92 mit dem Atelier Sömmering zusammen. Sie stammt ursprünglich aus Leipzig, lebte zwischenzeitlich in Berlin und jetzt in München. Neben ihrer Malerei realisiert sie immer wieder Rauminstallationen an ungewöhnlichen Orten. In ihren Arbeiten gibt sie Alltäglichkeiten eine lyrische Bedeutung. Lilo C. Karsten zeigte eine Installation mit vier weißen Tischen, auf denen Fundstücke aus Köln und München ausgebreitet waren. Irgendwie erinnerte alles an eine Flohmarktsituation. Jeder der Tische, die streng nebeneinander aufgestellt waren, wurde mit einer direkt über ihm angebrachten Lampe beleuchtet. Die Tische standen nah am Schaufenster, und so konnte man vom Schaufenster aus die einzelnen Gegenstände relativ deutlich erkennen. Souvenirs, Alltagsgegenstände, Fundstücke aus der Natur. Teilweise war ein Bezug zu München oder Köln da. Das Betrachten bewirkte ein Erinnern, Assoziieren oder Träumen. „Herzsprung“, der Titel, machte deutlich, dass die Gefühlswelt der Künstlerin mit diesen Gegenständen verbunden war.

1.11. - 28.11.99

Quartetto en Colonia (Durchblick)

Rey, Karbe, Kho, Okada

Schaufensterinstallation, Ausstellung

Die Serie von Schaufensterinstallationen wurde mit vier Künstlern aus vier sehr unterschiedlichen Kulturkreisen fortgesetzt. Der Kubaner Alfonso Rey, die Deutsche Martina Karbe, der Indonesier Antonius Kho und die Japanerin Mutzumi Okada hatten sich speziell für dieses Projekt als „Quartetto en Colonia“ zusammengeschlossen. Sie verwirklichten ihre individuellen Ausdrucksformen im Rahmen einer gemeinsamen Projektkonzeption für den Betrachter auf der Straße. Darüber hinaus zeigte jeder eigene Arbeiten in einer achttägigen Werkschau. Alfonso Rey verwendete in seiner kulturhistorisch geprägten Thematik Wachsdruckmatrixen, Heliografie und Xerox-Fotokopien ergänzt durch malerische Techniken. Martina Karbe zeigte ihre Serie „Sehrosen“, großformatige Bilder, Wand- und Bodenobjekte aus der Welt moderner Ikonen. Antonius Kho (Abbildung links) bewegt sich in seinen ornamentalen Werken auf dem Hintergrund indonesischer Mythologie und entwickelt dabei besondere Farbsprachen. Mutzumi Okadas Arbeiten zielen in ihrer abstrakten malerischen Anlage auf eine meditative Wahrnehmungsqualität. Das Spannungsfeld der unterschiedlich geprägten Sichtweisen gab dem Projekt den besonderen Reiz.

nach oben